Lemonade! Versicherung kann wirklich ganz anders funktionieren! Zumindest will uns dieses Unternehmen zeigen, dass es auch kundenfreundlicher geht. Lemonade ist eines der aktuell interessanten Insurtech-Unternehmen. Aktuell bekommt das Unternehmen eine ganze Menge Aufmerksamkeit (und auch Venture-Capital). Die Einschätzungen zur Zukunft von Lemonade unterscheiden sich sehr: Sie reichen von “Das zukünftige Amazon für Versicherungen” bis hin zu “Die sind bald weg vom Markt”.

Bevor ich zu einer eigenen Einschätzung komme, möchte ich das Geschäftsmodell kurz skizzieren und analysieren, denn eines ist sicher in Bezug auf Lemonade: Versicherung wird  hier wirklich ganz besonders interpretiert.

 

Lemonade – Versicherungen funktionieren hier so:

Das Insurtech Lemonade verwendet nach eigenen Angaben einen fixen Anteil i.H.v. 20% der vereinnahmten Prämien für die Bezahlung der laufenden Kosten (Gehälter, Mieten, Büroausstattung, Software, Hardware etc.), 80% stehen für die Deckung der Schadenzahlungen zur Verfügung.

Diese Regelung wird damit begründet, dass durch diesen fixen Anteil für Schadenzahlungen keinen Anreiz habe, dem Versicherungsnehmer eine Entschädigungszahlung vorzuenthalten.

Dazu muss man außerdem wissen, dass Lemonade keine Gewinne erwirtschaften will. Etwaige Überschüsse werden nämlich an wohltätige Institutionen ausgeschüttet, über die wiederum der Versicherungsnehmer jeweils einzeln (aus einer Auswahl) entscheiden kann.

Damit will man einen weiteren wichtigen Effekt erzielen: es soll so vermieden werden, dass der Versicherungsnehmer einen Anreiz für Versicherungsbetrug (weiter gefasst: Moral Hazard) hat.

Alle Funktionen von Lemonade sollen weitgehend digitalisiert sein. Dies gilt auch für die Versicherungstechnik. Zwei Bots sollen den Großteil der Funktionen übernehmen: A.I. Maya erstellt Angebote für Kunden, während A.I. Jim die Schadenbearbeitung übernimmt. Nach eigenen Angaben invistiert Lemonade große Mittel in die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz der Bots. Insbesondere dieses Forschungsfeld ist für viele Versicherer natürlich interessant und so wundert es nicht, dass u.a. die Allianz eine finanzielle Beteiligung an Lemonade hält.

Offizielle Zahlen sind schwer zu bekommen: Die Prämieneinnahmen von Lemonade betrugen 2017 aber geschätzte 9 Millionen US-$. 2018 sollen es schon 57 Millionen US-$ gewesen sein. Auch wenn das Unternehmen in der aktuellen Zeit noch Verluste schreibt, das ist in dieser Phase ganz normal. Ich denke dabei immer an die Anfänge von Amazon. Auch dieses Unternehmen machte am Anfang Verluste und wurde deswegen von vielen deutschen Unternehmern abgetan. Ich erinnere mich noch gut daran, wie mir wichtige Entscheider vor rund 20 Jahren sagten, dass Amazon auch bald vom Markt verschwunden sein wird. Heute ist das Gegenteil der Fall. Amazon hat eine marktbeherrschende Stellung in vielen Geschäftsbereichen und macht einen Umsatz von 280 Milliarden Dollar. Dieser große finanzielle Erfolg von Amazon heute rührt daher, dass das Unternehmen eine klare Strategie und eine Mission hatte. Hat Lemonade diese klare Strategie auch?

Meine Einschätzung zu Lemonade – Versicherung wird hier zukunftsweisend gedacht

Das Konzept von Lemonade und die dahinter stehende Idee ist sehr interessant und es sind sehr viele tolle Ideen zu erkennen. Auch auf den zweiten Blick stellt man fest, dass viele Ideen insbesondere aus der Kundenperspektive wirklich innovativ und kundenfreundlich sind.

Aber auch Risiken im Konzept sind erkennbar: so ist es nicht einfach, ein Versicherungskollektiv zu schmieden, in dem Versicherungsbetrug bzw. Moral-Hazard-Effekte nicht oder kaum vorkommen werden. Es besteht immerhin die reale Gefahr, dass insbesondere Versicherungskunden mit einem Hang zum Versicherungsbetrug diesen Versicherer nutzen wollen und dass Sie versuchen werden, Wege zu finden, die KI auszutricksen. Da Lemonade damit wirbt, Schäden in “Sekundenschnelle” zu regulieren, bestehen reale Gefahren, wenn Lücken in der KI bekannt werden und viral gehen.

Es wird daher besonders wichtig sein, dass Lemonade das Thema KI nachhaltig im Griff hat.

Eine weitere wichtige Schlüsselrolle wird bei dem Modell von Lemonade der Kooperation mit den Rückversicherungen zukommen. Lemonade wirbt damit, sich bei Rückversicherungen entsprechend abzusichern. Erst- und Rückversicherer sind dabei grundsätzlich als eine Art Schicksalsgemeinschaft zu begreifen, wobei der Rückversicherer aber schnell Prämien erhöhen kann bzw. ganz die Reißleine ziehen wird, wenn er feststellt, dass der Erstversicherer die Versicherungstechnik nicht im Griff hat und Verluste macht. Andererseits aber können die global operierenden Rückversicherer auch hinsichtlich aller Aspekte des Lemonade-Geschäftsmodells zu großen Unterstützern werden. Es wird daher ein wichtiger Aspekt sein, dass Lemonade auch das Thema Versicherungstechnik nachhaltig beherrscht. Dann wird das Unternehmen in Gemeinschaft mit den Rückversicherern erfolgreich sein.

Ich glaube seit 20 Jahren an den Erfolg von E-Commerce und Digitalisierung in der Versicherungswirtschaft. Es wurde in dieser Zeit aber auch deutlich, dass sich viele Versicherer bei der vollständigen Nutzung der Potenziale schwer tun. Das Geschäftsmodell von Lemonade ist hier eine wohltuende Ausnahme.

Jedoch wird auch hier noch an einigen Stellschrauben nachjustiert. Insbesondere die langfristigen Risiken in Richtung Moral Hazard und Adverse Selection sind hier zu nennen.

Nichtsdestotrotz beinhaltet das Grundkonzept aber so viele tolle Ideen, dass dieses interessante Unternehmen das Potenzial hat, den deutschen Versicherungsmarkt neu zu prägen. Denn eines ist sicher bezüglich Lemonade – Versicherung wird hier bahnbrechend neu gedacht.